Stellt euch vor, man würde eine Hin- und Rückreise unendlich oft wiederholen, irgendwann könnte man den Ausgangsort nicht mehr vom Zielort unterscheiden.

Die Distanz trennt Nahes von Fernem, legt man sie zurück, liegt plötzlich das vorher noch Nahe in der Ferne und die angebliche Ferne rückt immer näher. Wo also liegt nun das, wonach wir mit Vorliebe in der Ferne suchen, obwohl es sich meistens ganz in der Nähe befindet?


Einige der Leute treten die Anreise, andere die Rückreise an. Das Mädchen neben mir rutscht aufgeregt auf ihrem Sitz herum und wird ganz ruhig, scheint die Luft anzuhalten, als die Triebwerke einschalten, die Maschine ihre Fahrt beschleunigt und wir schliesslich mit Wucht gegen die Rückenlehne gepresst werden. Sie schaut dann ganz gespannt aus dem kleinen Fenster, als wolle sie sich die verschiedenen Grautöne der Wolken unter uns einprägen. Ich lese in einem französischen Buch, spüre dann ein schüchternes Tippen an meiner Schulter und werde in englischer Sprache gefragt, was denn "Geschenk" auf Französisch heisse. Nach bereitwilligem Antworten und Nachfragen meinerseits wechseln wir das angefangene Gespräch ins Deutsche, die Sprache, in der wir uns beide grad noch irgendwie mehr Zuhause fühlen. Vor ihr liegt ein einjähriger Aupair-Aufenthalt am Lac Léman, dies ist ihr erster Alleinflug. Sie scheint in mir die geeignete Begleitperson gefunden zu haben, die ihr viele der brennenden Fragen zu beantworten weiss. Ich hoffe, dadurch ihre Nervosität auf ein erträgliches Ausmass reduzieren zu können. Sie fragt mich gleich zu Beginn, ob ich hier wohne. Ich höre mich ja sagen und bin zugleich verwirrt. Das heisst ja wirklich, dass ich auf der Rückreise bin, doch war nicht meine Hinreise gewissermassen schon wie eine Rückkehr?


Heute passiere ich in Gedanken immer wieder den Zoll, gehe zum Gate, das mir die nahe Ferne oder die ferne Nähe verspricht und warte auf das Abheben des Flugzeuges.

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